VZ-Netzwerke: Rückblick & Ausblick

Eigentlich wollte ich den Artikel über die VZs drüben bei Robert Basic kommentieren, aber dann wurde der Kommentar so lang, dass ich das mal hier ins Blog packe. Robert schreibt, dass sich die VZs eine gute Grundlage gebastelt haben, das aber nicht ausreicht um jetzt wieder wachsen zu können.

In der Chronologie von Robert fehlen die negativen Dinge der VZs:
* 2006: Einladung im Nazi-Style von VZ-Gründer Ehssan Dariani
* 2006: Domaingrabbing, AGB, Ehssan Dariani’s Videos
* 2006: „Miss Wahlen“ im StudiVZ, Gründer beteiligt
* 2008: Abmahnwelle von StudiVZ an alle Portale mit „VZ“ im Namen
* 2008: „Taschengeld gegen Sex“ im StudiVZ
* 2009: Pornolinks im SchülerVZ werden nicht entfernt (eins, zwei)
* 2009: Facebook und StudiVZ einigen sich außergerichtlich, StudiVZ zahlt an Facebook eine nichtgenannte Summe, Streitgrund: Plagiatsverdacht
* 2009 und 2010: Datenlecks bei SchülerVZ

Dadurch sind sicherlich viele Nutzer weggegangen und auch Eltern/Lehrer werden kein großes Vertrauen mehr in die VZ-Netzwerke stecken, obwohl die VZs genau damit von Anfang an punkten wollten (Lehrermaterial, Guerilla-Aktion an Schulen etc.). Solche Negativ-PR gab es bei Facebook nicht, dort wird höchstens der Datenschutz angeprangert.

Das Hauptproblem der VZs aber ist, dass die VZs geschlossen sind. Keine API, keine „Like“-Buttons auf Blogs, keine Share-/Teilen-Möglichkeit sowohl innerhalb als auch außerhalb des Netzwerkes. Ich glaube, das macht einen Großteil aus, wenn man auf Klick das lustige Video direkt re-posten kann. Das alles haben die VZs verschlafen, deswegen ist Facebook so erfolgreich geworden wie es ist. Irgendwann haben sie zwar einen Share-Button eingeführt, aber da war es schon viel zu spät (übrigens genauso wie bei Xing, deren Share-Button kam auch viel zu spät, aber Xing ist nochmal ein Thema für sich).

Persönlich erlebe ich den Umbruch auch: Vor drei, vier Jahren ging auf SchülerVZ (wo ich noch einen Account habe) die Post ab. Seit ca. zwei Jahren ist es weitaus ruhiger und die meisten meiner „Freunde“ sind nach Facebook gewandert oder haben sich einfach gelöscht. Die gleiche Leere herrscht auch in den Gruppen (mit Ausnahme der Top-Gruppen, in denen nur Müll á la „Ist der Nutzer unter dir Top oder Flopp?“ etc. gepostet wird, wie früher auch schon). Wenn von über 200 „Freunden“ gerade mal 8 im letzten Monat Änderungen auf ihrem Profil gemacht haben, dann ist das schon extem viel. Die alltägliche Nutzung ist weg.

Ja, die VZ-Netzwerke sagen immer, wie viele zig Millionen Nutzer sie haben und wie viele zig Millionen davon auch aktiv seien. Ich sehe davon aber rein gar nichts, und da bin ich nicht alleine. Lustig sind dann auch die Gruppen, in denen der Gruppengründer sich irgendwann gelöscht hat und die Gruppe dadurch faktisch nicht mehr administriert werden kann. Dieser Mist kommt aber noch aus den Gründertagen, weil da niemand an Abwanderungen gedacht hat.

Letztendlich ist der größte Grund, ein Netzwerk zu nutzen, immernoch der, dass man dort ist, wo die meisten anderen seiner Kontakte aktiv sind. Solange die meisten Kontakte bei Facebook sind, bin ich auch bei Facebook. Solange die meisten Kontakte bei Google+ sind, bin ich auch bei Google+.

In dem Zusammenhang darf man auch nicht vergessen, was die VZs blockieren: Nämlich die generationen-übergreifenden Kontakte. Schon früher war es so, dass sich viele Schüler einen StudiVZ-Account angelegt haben, nur damit sie dort mit ihren älteren Geschwistern in Kontakt sein konnten, die wegen ihrem Alter und ihrer Uni auf StudiVZ waren statt im SchülerVZ. Und umgekehrt gab es das auch, dass Studenten sich SchülerVZ-Accounts angelegt haben. Dieser Bruch zwischen Schüler und Studenten blockiert nur. Hier ist Facebook anders, dort kann man mit Eltern, Geschwistern und dem Popstar befreundet sein. Das werden die VZs in ihrer derzeitigen Struktur niemals leisten und daher geht die ganze Familie eben zu Facebook.

Ich bezweifele, dass die VZ-Netzwerke die abgewanderten Nutzer wieder zurückholen können, dafür ist das, was ich vom neuen Design bislang sehe, nicht überzeugend genug. Die Startseite sieht aus wie bei Facebook, wenn man sich bei dem neuen Profil die Profil-Tabs mal links statt in der Mitte vorstellt, denkt man auch an Facebook. Die Chat-Leiste tut ihr übriges, scheinbar haben sich die Designer mal wieder sehr stark an Facebook „orientiert“. Damit bleiben die VZs „just another social network“.

Der größte Fehler, eigentlich sind es sogar zwei, ist, dass sie ihr bisheriges Branding über Board schmeißen: SchülerVZ kriegt jetzt ein Blau-Grün-Gemisch statt dem bisherigen Pink und aus „meinVZ“ wird typisch-deutsch „freundeVZ“. Wer Google anschmeißt stellt auch schnell fest, dass „freundeVZ“ schon von Anfang an eine Alternative war – also war Plan B schon seit vier bis fünf Jahren in der Tasche, innovativ kann man das beim besten Willen nicht nennen.

Ich glaube, dass die VZ-Netzwerke das neue MySpace werden. Es war eine schöne Zeit mit den VZs, aber der Zug ist abgefahren und die VZ-Netzwerke hätten schon vor zwei bis drei Jahren reagieren müssen. Dort, wo die VZs funktionsmäßig aufhören, fangen Facebook und Google+ erst richtig an.

12 thoughts on “VZ-Netzwerke: Rückblick & Ausblick

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  4. Interessant ist ja, dass Facebook vor ein paar Jahren noch echte Probleme hatte, in Deutschland Fuß zu fassen, weil die VZ-Netzwerke den Markt besetzt und die ganzen User bei sich versammelt hatten.

    Mich hat immer diese Trennung zwischen SchülerVZ und StudiVZ/MeinVZ gestört, genau wie die Trennung nach Ländern. Leute wollen sich einfach nicht vorschreiben lassen, mit wem sie kommunizieren dürfen und mit wem nicht – zumal die VZ-Seiten sogar erwartet haben, dass ehemalige Schüler später das Netzwerk wechseln (und ihr altes Profil löschen lassen). Das ist aus meiner Sicht genau so bescheuert wie die Idee, Menschen in Studenten und Nicht-Studenten einzuteilen.

    Und zu der Idee, die Schüler in einem „sicheren Raum“ unter sich zu lassen… naja, netter Versuch. Neben Ex-Schülern hat da doch jeder zweite Lehrer ein Profil, Eltern und Pädos wahrscheinlich genauso. Da ist das Facebook-System leztendlich besser, denn niemandem wird vorgegaukelt, dass das ein geschlossenes Netzwerk ist.

    Was Du von fehlenden APIs und fehlenden Möglichkeiten schreibst, andere Inhalte zu teilen, gehört letztendlich zur selben Problematik, denke ich. Zu viele Vorschriften, was man alles nicht darf, zu viele Versuche, das ganze Ding abzuriegeln und eine Insel zu bauen, was sich einfach zu vielen Dingen beißt, die das Internet gerade interessant machen.

    Darüber hinaus bietet Facebook Bloggern, Unternehmen, Organisationen, Künstlern und anderen viel mehr Möglichkeiten, ihr Zeug in Umlauf zu bringen. Ich glaube, wenn das auf eine Weise geschieht, die Rumspammerei ausschließt, ist das ein Gewinn und sorgt für viel Lebendigkeit. Muss Google+ auch noch lernen…

  5. „Das neue Myspace“? Myspace ist ein Musikportal, wollte kurz etwas anderes sein, ist damit gescheitert und jetzt wieder ein Musikportal. Wollen die *VZ-Netzwerke Musikportale sein?

    1. @Ey Lou: Jep, Facebook hat sich gut hochgearbeitet. Wobei es anfangs auch dort schwierig war, wo noch alles nach Ländern/Schulen sortiert war. Das haben sie abgeschafft und zack, die Leute nutzen es.

      Das Argument mit dem „sicheren Raum“ für Schüler ist spätestens dann sowas von witzlos, wenn man daran denkt, dass auch die Kinder Google nutzen können und durchaus einschlägige Begriffe oder sogar Seiten die Runde machen. Ist doch immer so, gerade das verbotene ist doch interessant. 😉 Aber das ist eben auch sowas, wo die VZs bei Eltern und Lehrern punkten wollten.

      Und noch kurz zu Google+, ich glaube das wird dort auch noch kommen, ich halte Google+ für weitaus strenger als Facebook. Interessanter Weise habe ich auf Facebook aber kaum Spammer entdeckt, bei Google+ folgen mir auch schon dutzende… Vielleicht ist die Strenge bei Google+ also auch falsch? Aber wahrscheinlicher ist, dass Google+ ein großer Hype hier ist, Facebook hatte keinen Hype sondern war einfach irgendwann da.

      @tux.: Ich meine das eher als Metapher, weil die goldenen Zeiten von MySpace halt auch vorbei sind.

  6. Google+ macht Facebooks Fehler nicht erst Schritt für Schritt, sondern haut gleich richtig auf die Kacke: Spielspam in der „Timeline“, Klarnamenspflicht, Datenschutzbedenken; und den einzigen Vorteil gegenüber Facebook, die „Circles“, haben sie bei Diaspora abgeschaut. Braucht niemand, wird schnell verpuffen. Der Hype ist vorüber.

    Zum Glück auch der Facebookhype. Mein Umfeld zieht sich dort zurück, ist aber zum Teil noch bei *vz „aktiv“, schaut sich zum Teil auch Diaspora an. Die Leute verstehen langsam den Nachteil, den so ein „lebensbegleitendes“ soziales Netzwerk mit sich bringt.

    Zu MySpace noch mal: Man nenne mir ein einziges ANDERES soziales Netzwerk jeglicher Art, das so viele Künstler beherbergt, die ihre Musik in voller Länge zum Anhören und ggf. sofortigen Kaufen bereitstellen, ohne dass man dafür überhaupt irgendwo angemeldet sein muss. Letzteres schafft ja nicht mal last.fm.

  7. Kompromissvorschlag: Sagen wir, Myspace war ein Netzwerk, das sowohl Bands und Musiker als auch Menschen (naja ja, größtenteils Teenager) angezogen hat. Diese Mischung war toll für die Bands, die einen direkten Draht zu ihrer Fanbasis aufbauen und die Fanbasis selbst AUSbauen konnten (mit mehr oder weniger spammigen Methoden). Für Jugendliche, die da angemeldet haben, ging es nicht nur um Musik, sondern auch um soziale Kontakte wie bei Facebook. Aber Musik war ohne Frage immer ein wichtiger Teil und ein großer zusätzlicher Reiz von Myspace.

    Und Tux, ich wünschte, es GÄBE ein anderes Netzwerk wie MySpace! 😉 IchbrauchFans! 😛

    1. Kompromissvorschlag angenommen. 😉

      Bei Facebook erlebe ich, dass viele Bekannte/Freunde erst seit einiger Zeit überhaupt bei Facebook angekommen sind, die werden sicherlich noch einige Zeit bleiben. Der Hype ist aber vorbei, ganz klar, ebenso wie bei Google+ (wobei er bei Google+ nochmal kommen wird, wenn das Ding public geht). Vor- und Nachteile gibt es bei jedem Netzwerk.

      Und zu Musik: Wenn ich Musik mal online höre, dann suche ich bei YouTube, nicht bei MySpace oder LastFM. Und zu 80% werde ich dort (oder auf MyVideo, Tape.tv etc.) auch fündig. 😉

  8. Google+ -ist- bereits „public“.

    Wenn ich Musik „online höre“, nehm‘ ich Grooveshark. Musikvideos suche ich nur selten, etwa für meine allmontägliche Musikposterei auf meiner Internetpräsenz. Last.fm hat mir ansonsten schon so manches Fundstück beschert und MySpace so manche Hörprobe, auch 2011 schon. (Zumindest zweiteres.)

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