Warum wir AdBlocker nutzen

Ein Anti-AdBlocker-Kartell hat sich gegründet: FAZ, Golem, RP, SPIEGEL, Sueddeutsche und ZEIT betteln ihre Leser darum an, ihren AdBlocker auszuschalten. Beim SPIEGEL sieht das so aus, bei den anderen Medien ist der Text nur leicht abgeändert:

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Schauen wir uns doch mal einen SPIEGEL-Artikel ohne AdBlocker an. Als ich mit dem Artikel hier anfing wurde dieser Artikel über Lehrerentlassungen gefeatured. Ohne AdBlocker sieht man erstmal keine Veränderung – weil man auch Ghostery abschalten muss.

Und dann sieht man das Debakel: Als SPIEGEL-Leser wird man mit Werbung penetriert. Satte 12 Anzeigen habe ich gezählt: Eine im Header, eine als Störer im Text (absolutes No-Go!), eine rechts neben dem Artikel, fünf in der linken Sidebar und vier unter dem Kommentarfeld. Sieben Anzeigen sind übrigens in animiertem Flash, das Versprechen man würde auf aufdringliche Werbeformen verzichten ist also nicht erfüllt.

Dazu kommt übrigens noch eine Text-Anzeige, die etwas versteckt ist: In der Navigation hinter „Shop“ taucht „Geldanlage“ auf, farblich zwar etwas getrennt, doch dass dies eine Anzeige ist sieht man erst wenn man mit der Maus darübergeht.

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Datenkrake SPIEGEL

Dank Ghostery sieht man auch, wo die Daten denn überall hingehen. Die Liste ist lang, durchschnittlich 12-14(!) Dienste pro Seite schnorcheln die Daten ab. Das zeigt auch Ghostery:

spon-werbefail-dienste

Dabei macht der SPIEGEL regelmäßig mit Datenkraken-Themen auf. Im Heft 2/2011 wurde noch von „Im Netz der Späher“ geschrieben. Im Heft 2/2010 titelte man „Google – Der Konzern, der mehr über Sie weiß als Sie selbst“ und erst im letzten Jahr beklagte man in Heft 43/2012, dass Google intransparent sei. Trotzdem nutzt man beim SPIEGEL ausgiebige Tracking-Dienste und sogar Google Analytics und Google Adsense.

Pfui, Internet!

Überhaupt ist es ziemlich lustig, wenn man im Archiv des Print-SPIEGELs wühlt. Und fragt sich dann, warum der SPIEGEL überhaupt im Internet ist. „Die Refugien der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder entziehen sich weitgehend der Kontrolle des Rechtsstaats“, hieß es in der Titelgeschichte von Heft 33/2009 zur Zensursula-Zeit. In Heft 33/2008 fragte man sich, ob das Internet doof mache. Und im Heft 29/2006 titelte man „Ich im Internet – Wie sich die Menschheit online entblößt“. Dieses Internet ist einfach nur pfui.

Und die Anderen?

Hier eine Übersicht über die Medien, die bei dieser Aktion mitmachen. Ich habe nur bei Artikelseiten geguckt, die Seiten der jeweiligen Ressorts sind noch weitaus schlimmer mit Anzeigen vollgepackt. Bei der RP habe ich wegen dem hohen Unterschied die niedrigste und höchste Anzeigenzahl mal stehen gelassen, bei den anderen Medien unterschieden sich die Anzeigenzahlen nur um 1-2 weniger oder mehr, dort habe ich den Durchschnitt genommen.

Medien Anzeigen Dienste Nevig
FAZ 14 12 – Animierte Gifs
– Flash-Banner
Golem 11 11 – Animierte Gifs
– Google Adsense im Artikel
– Artikel-Empfehlungen als Anzeigen
RP 15-23 14 – Google Adsense im Artikel
– Werbung fährt durchs Bild
– Anzeigen sehen dem Inhalt ähnlich
SPIEGEL 12 14 – Flash-Banner
– Störer im Artikel
Sueddeutsche 13 18 – Flash-Banner
ZEIT 6 11 – Animierte Gifs
– Flash-Banner

Zum Vergleich: Netzpolitik.org hat sieben Anzeigen (Spenden- und Buch-Werbung mitgezählt) und 2-4 externe Dienste, die Daten abschnorcheln. Allerdings werden auch dort Gif-Anzeigen genutzt und derzeit bittet man um Spenden. Spreeblick ist vergleichbar mit Golem: 12 Banner, 11 Datenschnorcheldienste. Beachten muss man aber, dass hier kein großer Verlag hinter steht wie es bei den „klassischen Medien“ der Fall ist.

Noch ein paar Worte zur Rheinischen Post. Abgesehen davon, dass die Anzeigen dort zwischen 15 und 23 schwanken, habe ich noch dieses nette Detail entdeckt: Eine Anzeige, die dem Inhalt ziemlich ähnlich sieht. Achtet man nicht auf den kleinen Text oben rechts, könnte man meinen, es sei ein ganz normaler Artikel:

rheinischepost-werbefail-aussehen

Auch lustig war, dass mir in den Anzeigen auf der Rheinischen Post die SPIEGEL-App empfohlen wurde, nachdem ich zuvor auf der SPIEGEL-Seite war. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich das Retargeting der vielen Dienste auswirkt, wenn man sie nicht blockiert.

Nicht unerwähnt lassen sollte man den Spitzenreiter beim Datenabschnorcheln: Die Sueddeutsche hat bis zu 18 externe Dienste, die fleißig sammeln. Damit sind sie aber nur Spitzenreiter unter den Medienhäusern, denn beim Satire-Blog Postillon schnorcheln doppelt so viele (31-36!) Dienste mit.

Fazit

Was zeigt uns das jetzt? Zunächst einmal sieht man an der Übersicht, dass ich (und vermutlich viele andere auch) bei jeder der Medienseiten mindestens eine Werbeform nervig finden. Alle hier untersuchten Medien nutzen externe Dienste, die Daten sammeln, im zweistelligen Bereich – das ist extrem viel. Auch bei den Anzeigen wird mehr auf Masse als auf Klasse gesetzt.

Es ist also kein Wunder, dass die Leser lieber AdBlocker nutzen als sich diesen Werbemüll anzutun. Das gilt für die „klassischen Medien“ genauso wie für Blogs. Von AdBlock Plus gibt es auch schon eine Stellungnahme, die in das gleiche Horn bläst. Die Aufrufe sind mittlerweile natürlich auch schon geblockt, weil sie z.B. bei der ZEIT fast die halbe Bildschirmhöhe einnehmen.

P.S.: Muss ich eigentlich noch schreiben, dass mich keine der Werbeanzeigen auch nur im entferntesten interessiert hat?

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16 thoughts on “Warum wir AdBlocker nutzen

  1. Sehr guter Artikel!
    Spricht mir absolut aus der Seele. Ich habe bei vielen privaten Blogs den Adblocker abgeschaltet. Dort finde ich dann dezente Werbung, die auch mit dem Thema des Blogs zu tun hat. Das kann durchaus interessant sein und ist für mich absolut kein Problem.
    Wenn ich aber gleich über zig Tracker verfolgt werde, inklusive facebook und Google, ist das nicht akzeptabel.
    Daher bleibt mein Werbe-und Spamblocker bei solchen Seiten selbstverständlich eingeschaltet.

  2. Vielen Dank für den Kommentar, sehe ich ähnlich. Für mich sind vorallem die Werbebanner die oben und an der Seite sind nervig. Mein Notebook hat nunmal nur einer 800er Höhe, dann ist gut die Hälfte Werbung. Gegen dezente Werbung habe ich aber weniger, bei manchen Seiten habe ich ABP dann auch deaktiviert. Facebook, G+ und Twitter sind aber selbstverständlich geblockt. Schlimm finde ich auch Partei-Werbung, auf taz.de zum Beispiel. Das ist ein absolutes No-Go!

  3. @Mark/“Partei-Werbung“: Als ich mir testweise Spon ohne Blocker angesehen hattte, kam gleich auf der Startseite ein blinkendes Flashmonster der INSM (ja genau, dieser komische Lobbyverein) zum Vorschein. Und Spon will mir was von „unabhängigen Qualitätsjournalismus“ erzählen?!?

    Ich fasse zusammen: a) einen Großteil der Nutzer gegen sich aufgebracht, b) heftiger Streisand-Effekt bezüglich der diversen Privatsphäre-Plug-Ins zusätzlich zu Adblock (d.h. Ghostery etc.), c) Steigerung der Download- und Spenderaten bei Adblock, ergibt d) EPIC FAIL!

  4. Ich habe schon seit Jahren Adblock an und wunder mich immer wieder im Büro, über den Müll, den ich da überall angezeigt bekomme. Wirklich grausam. So surfe ich zuhause zufrieden, clean und unbescholten durchs Netz! Danke Adblock!!!!!!

  5. „P.S.: Muss ich eigentlich noch schreiben, dass mich keine der Werbeanzeigen auch nur im entferntesten interessiert hat?“ Wie sollen die Werbetreibenden auch wissen, was dich interessiert, wenn du alles an rausgehenden Informationen abblockst?!

    1. @Markus: Der Satz ist im Nachhinein gesehen etwas falsch formuliert. Eigentlich war es so: Auf den Wirtschaftsseiten vom SPIEGEL bekam ich Werbung für Kreuzfahrten und Weight Watchers angezeigt, Werbung, die wohl eher in die Ressorts Reisen bzw. Gesundheit passt. Eigentlich müsste der Satz heißen: „P.S.: Muss ich eigentlich noch schreiben, dass die Werbeanzeigen selten zu dem Ressort passen in dem man sich gerade befindet?“.

      Denn: Wenn ich im Wirtschaftssressort bin interessiere ich mich ja offensichtlich für Wirtschaftssachen, wenn ich im Reiseressort bin interessiere ich mich wohl für Reisen usw. – das ist ja logisch, dafür braucht man auch kein Tracking. Selbst wenn ich mich nicht dafür interessiere ist die Chance höher, dass Leute im Reise-Ressort auf den Kreuzfahrtbanner klicken, als in anderen Ressorts. Und daraus habe ich dann gemacht, dass mich die Werbung nicht im entferntesten interessiert hat.

      Klingt nach einer schlechten Ausrede, ist aber die Story hinter dem Satz. Take it or leave it. 😉

    1. @Marvin: Wenn ich den heiligen Grahl kennen würde, wäre ich wohl reich. 🙂 Ich glaube, da muss jede Zeitung selbst gucken, was sie machen kann und was ihre Zielgruppe (= ihre Leser) bereit sind mitzumachen. Die taz fährt zum Beispiel mit ihrem Spenden- und Abo-Modell recht gut, aber das liegt auch an der Leserschaft und würde beim SPIEGEL vermutlich nicht so gut funktionieren.

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